EU-Fischereiflotte: Die Existenzfrage wird gestellt

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:News / News 04/23

Europäische Kommission fordert schrittweise Abschaffung der mobilen grundberührenden Fischerei in allen Meeresschutzgebieten
Einheimische Erzeugung wird zerstört, Importabhängigkeit steigt

Die EU-Kommission hat heute nach mona­telangen Verzögerungen ihren „EU-Akti­onsplan: Schutz und Wiederherstellung der Meeresökosysteme für eine nachhal­tige und widerstandsfähige Fischerei“ vor­gestellt. Für die Fischerei werden damit schlimmste Befürchtungen wahr. Alle Na­turschutzgebiete, Nationalparks, Natura 2000-Gebiete usw. auf dem Meer sollen für aktiv bewegte, grundberührende Fangge­räte geschlossen werden. Dazu gehört auch die traditionelle Krabbenfischerei in den Nationalparken der Nordsee oder das leichte Rollengeschirr der Ostseekutter. Ihre Auswirkung auf den Meeresboden ist tatsächlich kaum messbar und bedeutet keinen Schaden für das Ökosystem. Die Verbote sollen bis zum Jahr 2030 vollzogen· werden.
Auf europäischer Ebene bedroht dieser Plan rund 25 % der gesamten Fischpro­duktion und 7.000 Schiffe. Auch für die deutsche Fischerei hätte dieser Plan weit­reichende Auswirkungen. Für viele kleine handwerkliche Familienbetriebe in der Krabbenfischerei an der Nordseeküste würde dies das Aus bedeuten. Und das alles trotz erheblicher Verbesserungen des Zustands der Fischbestände im EU-Meer und vielen Betrieben mit zertifizierter Nachhaltigkeit ihrer Fischerei.
In den letzten 20 Jahren hat die Fischbio­masse im Nordostatlantik deutlich zuge­nommen und ist laut des letzten Berichtes des STECF (STECF 22-01 ad hoc) im Jahre 2020 um ca. 35 % höher als noch 2003. Gleichzeitig hat die fischereiliche Mortalität deutlich abgenommen und die Anzahl überfischter Bestände ist ebenfalls rückläufig. Anstatt diese Erfolge, die ge­meinsam mit der Fischerei erreicht wur­den, weiter auszubauen, zieht man jetzt einer Branche, die auch Opfer für diesen Erfolg gebracht hat, nun den Boden unter den Füßen weg. 

Der heute vorgestellte Aktionsplan ist Teil der EU-Biodiversitätsstrategie, die das Ziel verfolgt, mindestens 30 % der EU-Ge­wässer bis 2030 unter Schutz zu stellen. In dem Dokument weist die Kommission die Mitgliedstaaten an, mobile Grundfangge­räte in diesen Schutzgebieten schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen und dabei eine unterstützende Rolle zu übernehmen.
Wer gehofft hatte, in .diesem Aktionsplan ein wirksames Paket gegen die größten Be­drohungen der Meere wie Verschmutzung, Meereserwärmung, Plastik oder Klima­wandel zu erhalten, wurde enttäuscht. Stattdessen hat die Kommission beschlos­sen, den Schutz der Meere durch Fische­reiverbote grün zu färben. Das Ziel: Die schrittweise Abschaffung der mobilen Grundfanggeräte, ohne eine echte Alternative anzubieten. Bei dieser brutalen Ver­nichtung von Existenzen in der Küsten­fischerei wird noch nicht einmal eine Fol­geschätzung präsentiert. Das ist eigentlich eine Mindestvoraussetzung für eine ver­nünftige Gesetzgebung in entwickelten Gesellschaften.
Dabei vernachlässigt die Kommission nicht nur die Tatsache, dass diese 7.000 Schiffe rund 25 % der Gesamtanlandungen der EU tätigen, sondern auch 38 % der Ge­samteinnahmen der EU-Flotte erwirt­schaften. Diese Politik wird ganze Fische­reigemeinschaften in der EU in den Ruin treiben.
Es gibt aber auch Gewinner der EU-Poli­tik: Die Grundschleppnetzfischerei in Drittländern außerhalb der ED. Sie wird ihre Einfuhren von Fisch- und Meeres­früchten in die EU steigern, um die von der EU-Flotte hinterlassene Lücke zu füllen, ohne dass sie von den Verboten betroffen ist. Bereits heute ist die EU auf Weiß­fischimporte angewiesen, die von Grund­schleppnetzfischern aus Drittländern ge­fangen werden. 70 % der in Europa konsu­mierten Meeresfrüchte werden importiert.
Der deutsche Kutterverband ist der An­sicht, dass das standardmäßige Verbot von mobilen Grundfanggeräten in Meeres­schutzgebieten ein eindeutig unverhältnis­mäßiges und ungerechtfertigtes Ziel ist, das nicht auf den besten verfügbaren wis­senschaftlichen Erkenntnissen beruht und im Widerspruch zu internationalen Ver­pflichtungen steht. Alle Bemühungen um ein differenziertes Vorgehen zum Aus­gleich der wirtschaftlichen Belange mit dem Nutzen für die Natur wird mit einem Federstrich beseitigt, Rechtsstaatliche Mindeststandards wie die Verhältnismä­ßigkeit von Einschränkungen der Rechte von Bürgern werden missachtet.
Marine Schutzgebiete haben unterschied­liche Schutzziele. Sie werden zum Schutz natürlicher Ressourcen wie Säugetiere, Vögel oder Schildkröten eingerichtet, oft­mals nicht zum Schutz des Meeresbodens. Die Bewirtschaftungsmaßnahmen werden dabei an die jeweiligen lokalen Gegeben­heiten angepasst. Diese Vorgehensweise macht Sinn und unterscheidet sich deut­lich von dem Ansatz der Kommission, die pauschale Verbote verhängt. Warum sollte man eine Tätigkeit, welche die Erhaltung des Lebensraums oder der Arten nicht be­einträchtigt, bestrafen und verbieten?
Die einzige Auswirkung, die man mit Sicherheit vorhersagen kann und die auch von der Kommission anerkannt wird, ist die Verlagerung eines Teils des Fischerei­aufwands in andere Fischereigebiete, was zu einem höheren Treibstoffverbrauch, einer schlechteren Erreichbarkeit der Ziel­arten und unerwünschten Folgen für die Bewirtschaftung der betreffenden Fische­reien und Gebiete führt.

Der Verband der deutschen Kutter­und Küstenfischer appelliert an den Europäischen Rat der Minister und das Europäische Parlament, diesen Unsinn zu stoppen.

 
Claus Ubl,
Deutscher Fischerei-Verband e.V.